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Examensarbeit Meinl

Meinl, M. 2012

Auswertung eines Mint-Sommercamps

5.1 Zusammenfassung und Diskussion

Aus der Nachwuchsproblematik im naturwissenschaftlich-technischen Bereich und den im internationalen Vergleich unterdurchschnittlichen Ergebnissen deutscher Schülerinnen und Schüler hinsichtlich der naturwissenschaftlichen Grundbildung erwächst die MINT-Initiative und mit ihr innovative Bildungseinrichtungen. Beispielsweise haben sich Schülerlabore im deutschen Bildungssystem bereits durchgesetzt. Es existieren mittlerweile über 200 Einrichtungen. Dem MINT-Sommercamp als Lernumgebung steht die Erreichung dieser etablierten Position noch bevor. Einen kleinen Beitrag dazu soll diese Arbeit leisten. Der außerschulische Lernort MINT-Sommercamp ermöglicht Schülerinnen und Schülern eine betreute Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen und technischen Themen. Das damit oberste verfolgte Ziel ist, dass Interesse der Jugendlichen zu wecken und sie für die MINT-Bereiche auf zu schließen. Die Fragen, inwieweit dieses Ziel erreicht wird und welche Faktoren maßgeblich daran beteiligt sind, stehen im Blickpunkt dieser Arbeit.

Das Interesse und vor allem auch dessen Förderung stellt dabei einen bedeutsamen bildungspsychologischen Aspekt dar. Schülerinnen und Schüler werden sich nur aus eigenem Antrieb mit Gegenständen beschäftigen, wenn bereits ein Interesse besteht oder zumindest der potentielle Interessengegenstand und dessen Umgebung als interessant empfunden werden. Fällt die Institution Schule als extrinsischer Motivator weg, bleibt den Absolventinnen und Absolventen nur noch der eigene Antrieb. Welche Faktoren sind es schlussendlich, die die weiteren Laufbahnentscheidungen beeinflussen? An oberster Stelle steht dann das Interesse. Die Studienrichtung oder der Ausbildungsberuf wird unter dem Einfluss der vorab bestehenden Interessen gewählt. Gibt es also ein Nachwuchsproblem im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich, besteht eine Möglichkeit darin, bereits im Rahmen der

Schullaufbahn interesseweckende Maßnahmen in diese Richtung zu ergreifen. Pawek (2009, S. 178) formuliert sehr treffend: "Ein vorhandenes Interesse steigert unter anderem die Bereitschaft und die Fähigkeit zu lernen, indem es zu einer Fokussierung und Intensivierung der kognitiven Funktionen in einer konkreten Lernsituation und damit zu einer besseren Erinnerungsleistung führt." Die unmittelbare Folge dessen, sind bessere Schulnoten, die ihrerseits erneut motivierend wirken. Der Förderung des Interesses gerade in naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen kommt eine zentrale Bedeutung in der Bildungspolitik zu, nicht um in internationalen Vergleichen besser abzuschneiden, sondern um den Schülerinnen und Schüler die Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Die vorliegende Arbeit basiert auf der Interessentheorie der Münchner Gruppe ("person-object-theory of interest"). In der das Interesse als eine Beziehung zwischen der Person und dem Interessengegenstand definiert wird. Die Beziehung zeichnet sich durch drei wesentliche Charakteristika aus, sie ist mit positiven Gefühlen verknüpft (emotionale Valenz), sie wird als persönlich bedeutsam wahrgenommen (wertebezogene Valenz) und ist unmittelbar mit dem Bedürfnis verbunden, mehr über den Gegenstand heraus zu finden (epistemische Valenz). Das Interesse wird unterschieden, in das dispositionale Interesse, eine nur schwer veränderliche Wesensart einer Person und das vom dispositinalen Interesse und der Situation abhängige aktuelle Interesse. Der mit dem aktuellen Interesse verbundene Gegenstand wird dann als potentieller Interessengegenstand verstanden. Eine notwendige Bedingung für das Entstehen eines dispositionalen Interesses ist die Erzeugung eines möglichst ausgeprägten und nachhaltigen aktuellen Interesses. Weiterhin ist die Entstehung von Interesse abhängig von den catch- und hold-Faktoren, die nichts anderes sind als die Variablen der Lernumgebung. Zusätzlich spielt die Befriedigung der Bedürfnissen ("basic needs") nach Kompetenzerleben, Autonomie und sozialer Eingebundenheit eine bedeutende Rolle.

Selbstkonzepte sind Fähigkeitseinschätzungen, die Schülerinnen und Schüler durch Kompetenzerlebnisse erwerben. diese Kompetenzerlebnisse müssen nicht zwangsläufig in der Schule erfolgen, sondern können durchaus auch von einer außerschulischen Lernumgebung vermittelt werden. Es besteht theoretisch ein direkter Zusammenhang mit dem Interesse. Ein zunehmendes Interesse an einem bestimmten Gegenstand hat eine intensivere Auseinandersetzung und folglich einen Zuwachs an Fähigkeiten zur Folge. Von der anderen Seite betrachtet, tendieren Individuen dazu, sich eher für Bereiche zu interessieren, die der eigenen Fähigkeitsselbsteinschätzung entsprechen. Eine Steigerung des Fähigkeitsselbstkonzeptes bezüglich Naturwissenschaften und Technik kann durch interne

Vergleichsprozesse mit früheren Leistungen erfolgen und auch durch externe Förderungsmethoden. Dazu zählen positive Rückmeldungen aus dem sozialen Umfeld, Kompetenzerlebnisse und herausfordernde, zu bewältigende Aufgaben mit anspruchsvollem Niveau.

Um das Interesse zu fördern bietet das MINT-Sommercamp in einer mehrtägigen Veranstaltung den Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit in kleinen Gruppen selbständig experimentell eigens gestellte Fragen zu beantworten. Es ist zu verdeutlichen, dass das Experimentieren an sich noch nicht die gewünschte Wirkung erzielt. "Aus fachdidaktischer Perspektive ist der Rahmen entscheidend, in dem das Experimentieren eingebettet ist.

Es sollte unter anderem in einem zyklischen Wechselspiel mit der theoretischen Modellbildung erfolgen sowie aus konstruktivistischer Sicht authentisch und situiert sein, multiple Perspektiven und Kontexte anbieten, soziale Kontexte bereitstellen, kognitiv aktivierend wirken und erkennbare Freiheitsgrade bieten." (Pawek, 2009, S. 179) Während diese Bedingungen vom MINT-Sommercamp erfüllt werden, hat es noch einen weiteren entscheidenden Vorteil. Es handelt sich dabei nicht um eine einmalige mehrstündige Intervention, um es mit Pawek (2009) zu sagen, sondern um eine mehrtägigen Ausflug in die Welt der Wissenschaften, bei dem die Schülerinnen und Schüler rund um die Uhr betreut werden. Da es bisher kaum wissenschaftliche Erkenntnisse über diesen Lernort gibt, ist dies die Hauptaufgabe dieser Arbeit. Im Wesentlichen geht es um die Analyse zeitlicher Entwicklungen. Die wechselseitigen Zusammenhänge werden zusätzlich in Betracht gezogen, aber nur teilweise mit Hilfe statistischer Verfahren belegt. Die Daten für die Berechnungen sind vorhanden, deren Analyse würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Die Datenerhebung erfolget in einem pre/post/follow-up Design mit drei in einigen Teilen identischen Fragebögen. Die erste Befragung fand direkt vor Beginn der fünftägigen Veranstaltung (T1), die zweite direkt im Anschluss (T2, am Tag 5), die dritte fand acht bis zwölf Wochen später in Form einer Onlinebefragung statt. Mit den Fragebögen wurden verschiedene personenbezogene Variablen und einige Eigenschaften der Lernumgebung Sommercamp erhoben, die aus pädagogisch-psychologischer Sicht für die Interessenförderung bedeutsam sind. Teilweise wurden diese Merkmale mehrfach zu unterschiedlichen Zeitpunkten ermittelt. Alle Variablen sind unabhängig von konkreten fachlichen Inhalten, daher konnten die eigentlich für Schülerlabore entwickelten Fragebögen (Pawek, 2009, verändert nach Engeln ,2004) bei der Untersuchung des Sommercamps verwendet werden. Auch Lernorte, die sich konzeptionell und thematisch von diesem MINTSommercamp unterscheiden, lassen sich mit den beschriebenen Erhebungsinstrumenten untersuchen. Die Gruppe der Sommercampteilnehmerinnen und -teilnehmer umfasst 43 Schülerinnen und Schüler, deren Daten die Grundlage dieser Untersuchung bilden.

Anhand der Ergebnisse der Gesamtstichprobe lässt sich zusammenfassend klar sagen, dass das MINT-Sommercamp die vorab bestehenden Erwartungen mehr als erfüllt. Diese Tatsache spiegelt sich bereits in der hohen Akzeptanz der Veranstaltung wieder, die erforderlich ist, um Interesse zu wecken. Über 80% der befragten Schülerinnen und Schüler bewerten das Sommercamp mit "gut" und "sehr gut" und wünschen sich, ein weiteres Mal einen solchen Lernort zu besuchen. Wobei ihnen vor allem die Betreuung und Atmosphäre, das eigenständige Experimentieren, die damit verbunden Offenheit und Zusammenarbeit mit den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gefallen hat. Es war den Schülerinnen und Schülern wichtig Spaß zu haben, selbstständig experimentieren zu können und etwas Neues dazu zu lernen. Das Niveau der Veranstaltung war angemessen. Die Schülerinnen und Schüler waren weder über-, noch unterfordert, was sich in der Bewertung der Dauer als "zu kurz" niederschlägt. Es lässt sich zum einen schlussfolgern, dass das MINT-Sommercamp mit diesem Angebot und diesen Inhalten den Neigungen und Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler entspricht. Zum Anderen belegen die Ergebnisse eine Aufgeschlossenheit gegenüber der Veranstaltung, die die Basis für weitergehende positive Auswirkungen des Sommercampbesuches ist.

Im Sinne der Interessenförderung zeigt sich ganz allgemein, dass das Sommercamp nahezu jedem Befragten Freude bereitet hat (emotionale Komponente) und als persönlich bedeutsames Ereignis eingestuft wird (wertebezogene Komponente). Bei der epistemische Valenz, welche Aufschluss über den Drang der Weiterbeschäftigung gibt, sind es immerhin noch 3/4 der Befragtem, die sich zumindest teilweise weiterhin mit den behandelten Themen auseinandersetzen wollen. Dem zu Folge gelingt es dem MINT-Sommercamp bei wenigstens 3/4 der Schülerinnen und Schüler ein ausgeprägtes aktuelles Interesse zu wecken. Langfristig gesehen zeigt sich nur bei der persönlichen Bedeutsamkeit ein geringfügiges Absinken, was auf verblassende Erinnerungen zurückgeführt werden kann. Bei der emotionalen und der epistemischen Komponente lässt sich sogar noch ein Anstieg vermerken. Realistisch betrachtet, darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass an der T3 Befragung nur 33 der ursprünglich 43 Personen teilgenommen haben und das diese 33 wahrscheinlich diejenigen sind, die über besonders positive Erinnerungen an das Sommercamp verfügen. Nichts desto trotz lässt sich ein langfristig anhaltendes aktuelles Interesse verbuchen. Daraus folgend lässt

sich die erste zentrale Fragestellung der Untersuchung eindeutig beantworten: Das MINT-Sommercamp fördert kurz- und langfristig gesehen das dispositionale Interesse vieler Schülerinnen und Schüler an den angebotenen Themen, indem es ein weitgehend anhaltendes aktuelles Interesse erzeugt.

Das MINT-Sommercamp weckt aber nicht nur ein aktuelles Interesse. Es hat auch einen positiven Einfluss auf das eng mit dem Interesse verbundene naturwissenschaftsbezogene Fähigkeitsselbstkonzept. In der follow-up Untersuchung zeigt sich bei einem 1/4 der Schülerinnen und Schüler, die vor der Veranstaltung über ein geringes Fähigkeitsselbstkonzept verfügten, ein deutlicher Anstieg. Allerdings lässt sich dieses Ergebnis nicht eindeutig dem MINT-Sommercamp zuschreiben, da die Erhebung des Fähigkeitsselbstkonzeptes in der T2 Befragung fälschlicher Weise vergessen wurde und weil in den Wochen bis zur T3 Befragung zahlreichen Ereignisse liegen, die ebenfalls zu einer Steigerung des Fähigkeitsselbstkonzeptes geführt haben könnten und nicht erhoben wurden. Zumal es sich bei den Schülerinnen und Schülern um eine freiwillige Teilnahme in den Sommerferien handelt, war davon auszugehen, dass man es mit bereits ausgeprägten Fähigkeitsselbstkonzepten zu tun hat. Tatsächlich verfügte jeder zweite Befragte bereits vorab über ein sehr hohes naturwissenschaftsbezogenes Fähigkeitsselbstkonzept, aber eben auch die Hälfte nicht. Eine ideale Voraussetzung, zwar nicht für die aufgestellte Hypothese, aber für die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Gegenseitige Hilfe und damit verbundene Kompetenzerlebnisse, positive Rückmeldungen durch die Betreuer und die Tatsache den gestellten herausfordernden Aufgaben gewachsen zu sein, tragen dazu bei, die Selbstbilder der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler hinsichtlich Naturwissenschaften und Technik zu stärken. Sie erfahren wie spannend es sein kann, naturwissenschaftliche und technische Fragen mit anderen Jugendlichen selbstständig und experimentell zu beantworten. Wie der Teilgruppenvergleich ergeben hat, entsteht das aktuelle Interesse unabhängig von dem vorab bestehenden Fähigkeitsselbstkonzept. Diese Tatsache wird zusätzlichen von den berechneten Korrelationen bestätigt. Ein Unterschied zeigt sich ausschließlich in dem Wunsch sich weiter mit den behandelten Themen zu beschäftigen. Personen mit hohem Fähigkeitsselbstkonzept zeigen deutlich öfter die Neigung sich weiter damit zu befassen, was sich auch in den manifestierten Interessenhandlungen zeigt. Diejenigen mit niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept nehmen sich zwar vor, die Themengebiete weiter zu verfolgen, tun dies aber in wenigen Fällen tatsächlich.

Die Sachinteressen an Naturwissenschaften und am Experimentieren gehören zu den nur langsam veränderlichen dispositionalen Interessen einer Person. Daher war aus theoretischer Perspektive keine Steigerung dieser Zustände durch den fünftägigen Aufenthalt im MINT-Sommercamp zu erwarten. Entgegen der Erwartungen verzeichnet sich langfristig gesehen eine steigende Tendenz hinsichtlich beider Bereiche. Optimistisch interpretiert würde man diesen Aufwärtstrend dem Sommercamp zuschreiben, was allerdings nicht ohne Weiteres möglich ist. Wegen der vorab erwarteten Konstanz im Bereich Sachinteresse wurde auf eine Erhebung direkt nach dem Sommercamp verzichtet. Da zwischen dem Ende des Camps und der T3 Befragung mindesten 8 Wochen verstrichen, in denen zahlreiche weitere Einflüsse auf die dispostionalen Interessen einwirken, ist es nicht möglich, die Steigerung der Sachinteressen eindeutig dem MINT-Sommercamp zu zuordnen. Dennoch ist zu erwähnen, dass das Sommercamp freiwillige naturwissenschaftlich interessierte Schülerinnen und Schüler anspricht. Deren Interesse an Naturwissenschaften und am Experimentieren befindet sich möglicherweise gerade auf der Stufe des sich entwickelnden individuellen Interesses (in Abschnitt 2.3.5 erklärt). Das MINT-Sommercamp ermöglicht bei einigen Schülerinnen und Schülern möglicher Weise den Aufstieg auf die nächst höhere Stufe. Auch bei niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept kommt es zur Erhöhung des Sachinteresses, was auf langfristig wirksame Kompetenzerlebnisse im Sommercamp zurückzuführen ist. Außerdem könnte der Anstieg auch aus der Intensität dieser Veranstaltung geschlussfolgert werden. Anders als in einem Schülerlabor werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des MINT-Sommercamps fünf Tage rund um die Uhr betreut. Dieser Fakt könnte begünstigend auf die Entwicklung eines dispositionalen Interesses wirken. Im Großen und Ganzen ist das MINT-Sommercamp und die in diesem Zusammenhang vermittelten Einblicke in die Wissenschaft und Technik nur ein Funke, der in den Schülerinnen und Schülern entfacht wurde und den es gilt aufrecht zu erhalten. Die informellen Lernereignisse können über lange Zeit bejahend im Gedächtnis der Schülerinnen und Schüler vorhanden bleiben. Folglich können deren Wirkungen auch noch viel später und in Kombination mit anderen Erfahrungen auftreten.

Es lässt sich, aufgrund der vorliegenden Ergebnisse ein Zusammenhang zwischen geringem Fähigkeitsselbstkonzept und einem geringen Fachinteresse vor allem an Physik und Mathe vermuten. Da die Theorie von sich nur langsam veränderlichen dispositionalen Interessen ausgeht, wozu auch das Fachinteresse gehört, lässt sich annehmen, dass das Sommercamp keinen wesentlichen Einfluss auf das Fachinteresse ausübt. Daher wurde auf eine weitere Erhebung in T2 und T3 verzichtet. In Anbetracht des hohen aktuellen Interesses und dem Anstieg im Sachinteresse wäre es durchaus interessant gewesen, ob sich nicht auch bezüglich

des Fachinteresses ein Effekt ausmachen lässt. Es hätte den Bedeutungsgehalt des MINT-Sommercamps noch steigern können.

Wie der Teilgruppenvergleich belegt, verfügen Jungen immer noch über ein höheres Fähigkeitsselbstkonzept hinsichtlich Naturwissenschaften als Mädchen. Auch in dieser Stichprobe zeigt sich der sogenannte "gender gap". Diesem Phänomen wirkt das Sommercamp entgegen. Die Gleichverteilung der Geschlechter wurde bewusst so gewählt. Ganz klar haben viel mehr Jungen vorab ein Interesse an der Teilnahme am MINT-Sommercamp geäußert, dennoch wurde von den Initiatoren eine Gleichverteilung angestrebt und auch erreicht. so lernen Schülerinnen mit vermeintlich niedrigen Fähigkeitsselbstkonzept hinsichtlich der Naturwissenschaften von anderen Gruppemitglieder, ganz gleich welchen Geschlechts. zu erwarten war, dass sich in der Teilgruppe 1, mit ohnehin hohem Fähigkeitsselbstkonzept keine Veränderung zeigt, was sich auch in den Ergebnissen zeigt. Einige weisen leider auch eine Rückgang im Fähigkeitsselbstkonzept auf. Da aber, wie bereits erwähnt dieser Effekt nicht eindeutig dem MINT-Sommercamp zugeschrieben werden kann, ist es weniger bedenkenswert. Hingegen zeigt sich bei Teilgruppe 2 doch eine Verbesserung. Optimistisch interpretiert, steigert das MINT-Sommercamp das Fähigkeitsselbstkonzept, allerdings gelten auch hier die genannten Einschränkungen.

In einem zweiten wesentlichen Schritt kam es zu einer Evaluation des MINT-Sommercamps. Es galt folgende Eigenschaften zu bewerten: Authentizität, Alltagsbezug, aktive Beteiligung, Betreuung/Atmosphäre, Herausforderung, Offenheit, Verständlichkeit, Zusammenarbeit und die Besuche in den Produktionsfirmen. Die Ergebnisse sind rund herum hervorragend. Es existieren so gut wie keine Negativwertungen, was durchaus schon als Deckeneffekt bezeichnet werden kann. Besonders affirmative Ergebnisse sind bei der Offenheit, der Betreuung und Atmosphäre und der Zusammenarbeit aufgetreten. Die Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler wurde wesentlich dadurch erleichtert, dass sowohl die Geschlechterverteilung ausgeglichen war, als auch das Alter kaum variierte. Es kam sehr schnell zur Bildung zahlreicher Freundschaften, die auch über das Sommercamp hinaus, mittels sozialer Netzwerke aufrecht erhalten werden. Die Herausforderung und der Alltagsbezug hätten für einige Schülerinnen und Schüler höher sein können. Den in dieser Untersuchung herangezogenen Skalen zur Bewertung des Sommercamps wurde, mittels einiger Studien zur Wirkung von Schülerlaboren, bereits eine interessefördernde Bedeutung zu gesprochen. Daher sind die Ergebnisse nicht nur gut, sondern viel versprechend. Im Rahmen dieser Arbeit ist es leider nicht möglich den tatsächlichen Einfluss der

Sommercampfaktoren auf das aktuelle Interesse empirisch eindeutig nach zu weisen. Dennoch kann der positive Einfluss theoretisch angenommen werden und aufgrund der bereits bestehenden empirischen Daten ähnlicher Untersuchungen an dieser Stelle erwähnt werden. Des Weiteren kann ein Zusammenhang der Faktoren Alltagsbezug, aktive Beteiligung, Betreuung/Atmosphäre,, Offenheit, Verständlichkeit und Zusammenarbeit mit den Komponenten des aktuellen Interesses durch diese Untersuchung bestätigt werden. Es ist anzunehmen, dass die übrigen Faktoren des Sommercamps, Authentizität und Herausforderung, ebenfalls einen Einfluss auf das aktuelle Interesse ausüben, dies haben die Berechnungen der vorliegenden Daten jedoch nicht ergeben. Zusammenfassend erfüllt das MINT-Sommercamp, diejenigen Bedingungen einer Situation, die aus theoretischer Sicht positiv auf das Interesse wirken. Jeder Vierte wurde sogar zu Interessenhandlungen angeregt. Hinsichtlich der Schulfächer Physik und Mathe zeigt sich doch bei einem Viertel der Schülerinnen und Schüler eine ablehnende Einstellung. Das dennoch bei nahezu allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein aktuelles Interesse erzeugt wurde, ist ein Indiz für die Unabhängigkeit des Sommercamps von negativen Schulerfahrungen. Die Tatsache, dass auch in Personen, die das Fach Physik ablehnen, ein Interesse an physikalischen und technischen Themen erzeugt werden kann und deren Interesse am Fach sogar durch die Veranstaltung vergrößert werden kann, ist für sich betrachtet schon ein Erfolg des MINT-Sommercamps und ein Argument für dessen Bedeutung als außerschulischer Lernort.

Es folgen zwei weitere Erfolge, die das MINT-Sommercamp verbuchen kann. Zum Einen trägt es zur Veränderung der Einstellung gegenüber den behandelten Naturwissenschaften bei. Wobei aus dem Item nicht klar eine positive Veränderung hervorgeht. Es könnte auch zu einer negativen Interpretation auf Seiten der Befragten gekommen sein. Weil das MINT- Sommercamp aber alles in allem Erfolg versprechende Ergebnisse erzielt hat, lässt sich annehmen, dass auch diese Einstellungsänderung im positiven Sinne gemeint ist. Zum Anderen kann sich jeder Zweite, der an der Nachbefragung teil genommen hat, vorstellen, eine berufliche Tätigkeit im naturwissenschaftlichen Bereich auszuüben. Damit ist das MINT-Sommercamp eine von vielen Lösungsansätzen für das vorherrschende Nachwuchsproblem im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich. An dieser Stelle wäre es interessant, einen Vergleichswert zum Zeitpunkt vor der Veranstaltung zu haben, um das Ergebnis eindeutig dem MINT-Sommercamp zuschreiben zu können.

Nach wie vor herrscht im Bereich der Beliebtheit und Unbeliebtheit der naturwissenschaftlichen Fächer ein gewaltiger Geschlechterunterschied. Die weiblichen

Schüler bevorzugen den sprachlich-musischen Bereich und die männlichen Schüler den naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Dies gilt insbesondere für das Fach Physik. . Dieser Befund stimmt mit den Ergebnissen zu den Fachinteressen (siehe Anhang) überein. Ergo gelingt es dem Physikunterricht noch immer nicht, weibliche und männliche Schüler gleichermaßen anzusprechen, was zu einer ablehnenden Haltung auf Seiten der Schülerinnen führt. Wenn dem nicht entgegengewirkt wird, kann sich diese ablehnende Haltung im Laufe der Schulzeit festigen und darüber hinaus wirksam bleiben. Die Konsequenzen zeigen sich deutlich im vorherrschenden Fachkräftemangel. In mathematischen und technischen Studiengängen sind Studentinnen eine Rarität. Unabhängig der zuvor bestehenden Dispositionen spricht das MINT-Sommercamp nahezu alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an und leistet somit einen Beitrag der sinkenden Akzeptanz gegenüber naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen entgegenzuwirken.

Die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit, ob das untersuchte MINT-Sommercamp das Interesse an den behandelten Naturwissenschaften fördert, ist eindeutig zu bejahen. Gleichwohl sind zahlreiche wichtige Fragen unbeantwortet geblieben und machen eine 68

weitere Untersuchung der erhobenen Daten und weitere Untersuchungen dieses außerschulischen Lernortes erforderlich.

Da man nicht davon ausgehen kann, dass das MINT-Sommercamp auf alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen wirkt, sollten weitere Teilgruppenvergleiche erfolgen. Da sich die Befragten der Gesamtstichprobe bereits in vielen Eigenschaften ähneln, beispielsweise Alter oder die guten Leistungen in der Schule, biete sich noch ein Teilgruppenvergleich hinsichtlich der Geschlechter an. Ein weiterer Teilgruppenvergleich wird möglich mit Hilfe einer Latenten-Klassen-Analyse, die anhand der unterschiedlichen Dispositionen der Schülerinnen und Schüler Interessengruppen bildet (z.B. umfassend-allgemein interessiert, verstärkt naturwissenschaftlich interessiert und generell gering interessiert).

Mit den vorliegenden Daten lassen sich zahlreiche weitere, den Rahmen dieser Arbeit überschreitende Fragestellungen beantworten.

  • Zwischen dem aktuellen Interesse der Schülerinnen und Schüler, den personenbezogenen Faktoren und den sommercampbezogenen Faktoren bestehen jeweils positive Zusammenhänge.


Bei folgenden Untersuchungen ist zu beachten, dass neben den derzeit identifizierten Rahmenbedingungen weitere einflussreiche Kriterien existieren könnten. Zum einen kann das die räumliche Umgebung sein. Die Umwelt-Jugendherberge in Tönning, in der das MINT-Sommercamp durchgeführt wurde, entsprach dem thematischen Konzept und war hervorragend ausgestattet. Wären die Ergebnisse unter anderen Umgebungsbedingungen die Gleichen gewesen? Ein weiteres Kriterium ist das Kompetenzerleben, dass aus theoretischer Sicht ein wichtiges Kriterium zur Interessengenese ist und in dieser Untersuchung nur indirekt durch die Skalen Verständlichkeit und Herausforderung bedient wurde (Pawek, 2009).

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