Abstract Fahland
Fahland, S. 2012: Getrenntgeschlechtlicher Sexualkundeunterricht in der Sekundarstufe I
Einleitung:
„Sex sells“ ist heutzutage ein Motto, welches nahezu unumgänglich ist. Die Sexualität ist ein fester und selbstverständlicher Bestandteil unseres Lebens geworden. Die Konfrontation mit diesem alltäglichen Thema ist uns oftmals gar nicht bewusst. Sowohl in den Nachrichten, Printmedien, Talkshows, Soaps oder Musikvideos ist Sex so präsent wie niemals zuvor, ebenso in Werbekampanien werden Produkte immer mehr in den Kontext erotischer Bilder gestellt. Die Sexualität ist ein natürlicher Bestandteil unserer heutigen Konsum- und Informationsgesellschaft geworden. Diese leichte Zugänglichkeit, vor allem durch das Internet, ermöglicht es Kindern und Jugendlichen sich schnell und unkompliziert Zugang zusexuellen Darstellungen, wie Pornographie, oder gar Interaktionen, wie „Sexchats“ zu beschaffen. Die Medien erzielen durch die stätige Sexualisierung eine Normierung derSexualität. „Vermittelt über die Medien wird Sexualität inzwischen als Ausdruck eines gesunden Selbstwertgefühls mit hoher Leistungsfähigkeit verknüpft (Fiedler 2010: 180).“
Der Ruf nach Sexualerziehung, vor allem nach frühkindlicher Sexualerziehung, wird zur heutigen Zeit laut, und zwar durch den Umstand, dass Sexualität in unserer Gesellschaft so selbstverständlich geworden ist. Wenn Sexualität kompetent vermittelt und seiner Aufklärungsfunktion gerecht wird, können grundlegende Informationen weitergegeben werden, die die Basis für ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Handeln bieten. Kinder und Jugendliche lernen mit dem Thema verantwortungsvoll und nicht leichtsinnig umzugehen. Sie lernen Fakten über ihren eigenen und den fremden Körper, wodurch ihr Verständnis und ihre Selbstbestimmung über diesen geschult werden. Sie bekommen ein fundiertes und umfangreiches Wissen von kompetenten Lehrpersonen vermittelt, welches sie sich alleine meist nicht aneignen können oder wollen. Dadurch kann eine Orientierung geboten werden, um alltägliche Einflüsse zu erkennen, zu reflektieren und zu bewerten. Heutzutage lernen Kinder meist von pornographischen Videos oder durch Mundpropaganda, von oftmals Mitschülern, wie der Geschlechtsakt „funktioniert“. Nicht immer kommen Eltern ihrer erzieherischen Funktion bei dieser Thematik nach, zudem ist Großteils das klassische Familienmodel (Mutter, Vater, Kind) nicht mehr existent. Laut Mollerup beginnt Sexualerziehung nicht erst in der Schule, sondern im Elternhaus. Somit ist der Wissensstand der Kinder bei Schuleintritt in sexuellen Dingen unglaublich verschieden (Mollerup 1984). Dieses kann jedoch auf sämtliche Lebensbereiche zutreffen.
Diese Arbeit legt den Fokus auf den getrenntgeschlechtlichen Sexualkundeunterricht - für die SchülerInnen der Sekundarstufe I. Hierbei ist anzumerken, dass Sexualerziehung in der Schule erst im Jahr 1988 zur Aufgabe des Staates erklärt wurde (Schmidt 2008: 557). Im Laufe der Jahre wurden die Richtlinien und Bestimmungen für den Sexualkundeunterricht In den einzelnen Lehrplänen der Bundesländer stätig weiterentwickelt, bis heute. Trotzdessen äußern sich einige Sexualpädagogen kritisch in Bezug auf die Umsetzung und Implementierung der Richtlinien hinsichtlich der Alltagspraxis. Schulische Sexualerziehung würde überwiegend wissensorientiert unterrichtet, wobei die Vermittlung biologischer –medizinischer Fakten im Mittelpunkt stünde (Weller 2009: 4).
Aktuelle Studien zur Praxis getrenntgeschlechtlicher Sexualerziehung in der Sekundarstufe I ließen sich kaum bis gar nicht finden. Die Mehrzahl der Untersuchungen richtet den Blick auf die sexuellen Verhaltenseisen, Einstellungen und Wünsche der Mädchen und Jungen.
Die ersten empirischen Untersuchungen zu sexueller Sozialisation für die Sekundarstufe I, existieren über die Altersgruppe der 9 bis 13-jährigen. Die Studie von Milhoffer zur„Selbstwahrnehmung, Sexualwissen, und Körpergefühl von Kindern in 3. bis 6. Klassen“,wurde von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zwischen 1995 und 1997 im Auftrag gegeben und unter 500 Kindern durchgeführt (Sielert 2005). Die Studie gibt Aufschluss über die psychischen Dispositionen von Kindern im Übergang zur Pubertät. Zudem stellt sie heraus wie stark sie sich über ihren Körper und ihr Bewegungsbedürfnis definieren, wann sie sich in der Schule besonders wohl fühlen, wo ihre körperlichen Grenzen im Umgang miteinander liegen, welche Erfahrungen sie mit Verliebtsein haben, wie sie körperliche Übergriffe durch andere Kinder und Erwachsene bewerten, wo sie sich ihre Informationen über Sexualität holen und wie ihre Einstellungen zur Darstellung von Sexualität in den Medien sind (Milhoffer 2000).
Eine weitere empirische Studie, ebenfalls von der BZgA in Auftrag gegeben, wurde 2000durchgeführt, mit dem Titel „Wie sie sich fühlen, was sie sich wünschen. Eine empirische Studie über Mädchen und Jungen auf dem Weg in die Pubertät“ (vgl. Milhoffer 2000). Ein interessantes Ergebnis der Studie ist, dass SchülerInnen sich mehr Sportunterricht, mehr Möglichkeiten zur Bewegung, mehr Gelegenheit zum gemütlichen Miteinander und mehr Chancen zu kreativer Betätigung an der Schule wünschen, in denen sie koedukativ statt geschlechtsgetrennt unterrichtet werden. Die Ausnahme des koedukativen Unterrichtes ist der Sexualkundeunterricht, hier bevorzugen mehr Jungen und Mädchen geschlechtsgetrennt unterrichtet zu werden (Milhoffer 2000). Zudem wurde herausgefunden, dass Mädchen häufiger Verantwortung gegenüber sexuellen Risiken zeigen, wie Krankheiten, Infektionen, Frühschwangerschaften und Angst vor sexueller Gewalt äußern. Auch Jungen sehen in den Risiken und Gefahren ein Problem, interessieren sich jedoch vergleichsweise häufiger für den Lustaspekt von Sexualität, wie Sex, Orgasmen und den Sexualakt an sich (Sielert 2005).
Zusätzlich erfolgt durch die BZgA eine regelmäßige Repräsentativbefragung zum Thema Jugendsexualität (vgl. BZgA 2010). Auch wenn diese viele Interessante Aufschlüsse über die Gedanken- und Gefühlswelt, sowie den Kenntnisstand von Kindern und Jugendlichen zur Sexualität liefern, lassen sich jedoch keine Einblicke in Bezug auf getrenntgeschlechtlichen Sexualkundeunterricht gewähren.