Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Abstract Feichtmayer

Zusammenfassung

Biologische Kenntnisse bilden eine Grundlage dafür, dass Schülerinnen und Schüler aktiv an gesellschaftlichen Debatten ihrer aktuellen und zukünftigen Lebenswelt teilnehmen können. Um das Lebendige und seine vielfältigen Wechselwirkungen zu durchdringen, müssen Schüle-rinnen und Schüler Begriffe im Sinne einer naturwissenschaftlichen Grundbildung verstehen.Auch die Jahre 2020 und 2021 zeigen, dass biologische Begriffe aktuelle und globale Debatten bestimmten. Ein Verständnis für getroffene, für die moderne Gesellschaft teilweise schwerwiegende, Maßnahmen im Zusammenhang mit der Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 kann nur entwickelt werden, wenn Debatten politischer Vertreter verstanden und somit nachvollzogen werden können. Virus, Mutation und Genomsequenzierung - das alles sind biologische Begriffe, deren Konzepte dafür begriffen werden müssen. Ob es sich dabei um „wichtigere“ Begriffe als Allel und Zellmembran handelt, ist eine Abwägung, die bis heute nicht getroffen wurde und die in hohem Maße den immer wieder veränderlichen aktuellen Umstän-den angepasst werden müsste.Es fehlen Debatten und Entscheidungen aber vor allem Unterrichtskonzepte, die die Begriffe, wie sie in der Schulbiologie gelehrt und gelernt werden, auf eine individuell sinnvolle Anzahl reduzieren. Zudem fehlt es an Aufklärung für angehende sowie praktizierende Biologielehre-rinnen und Biologielehrer, wobei das geringe Ausmaß an fachdidaktischer Literatur, die sich einer sinnvollen Gestaltung von Begriffslernprozessen im Biologieunterricht widmet, ein Maß ist.Dem Ergebnis, dass Schülerinnen und Schüler gerade einmal einen Begriff pro Unterrichts-stunde im Fach Biologie neu lernen können, steht eine hohe Anzahl von Begriffen gegenüber, die durch praktizierende Lehrerinnen und Lehrer in nahezu jeder Unterrichtsstunde von 45 Mi-nuten Dauer eingeführt werden. Die Anzahl neu eingeführter biologischer Begriffe übersteigt die potenzielle Begriffslernleistung von Schülerinnen und Schülern in den meisten Fällen um ein Vielfaches, oft sogar um mehr als das Zehnfache. In nur wenigen Biologiestunden, auch über die Stichprobe der Untersuchung hinaus, dürften sich potenzielle Begriffslernleistung (ein Begriff) und die tatsächliche Anzahl neu einzuführender Begriffe (ebenfalls ein Begriff) die Waage halten. Für die Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit in Bezug auf das Begriffslernen der Schülerinnen und Schüler, als Basis für ein sich entwickelndes Verständnis biologischer In-halte, Themenkomplexe und Zusammenhänge, lassen sich auf Grundlage der Ergebnisse nur negative Auswirkungen anmahnen.90Bei der Einführung neuer biologischer Begriffe zu Beginn der Sekundarstufe 1 werden über-wiegend zeichnerische Darstellungsformen, Definitionen, wenngleich bei einem viel zu gerin-gen Anteil der Begriffe, oder gegebenes Material in Form von Schulbuchtexten oder Arbeits-blättern genutzt. Die methodische Rahmung, die von Biologielehrerinnen und -lehrern tatsäch-lich in der Praxis Anwendung findet, folgt nur in wenigen Fällen den Erkenntnissen von Lern-psychologie und Biologiedidaktik, die das Erarbeiten und Lernen von Begriffen unter Verwen-dung von Begriffsnetzen bzw. Concept-Maps und somit einer Verbindung von Wort und Bild nach Vorbild des menschlichen Gedächtnisaufbaus empfehlen. Eine Untersuchung, inwiefern zeichnerische Darstellungsformen das Begriffslernen von Schülerinnen und Schülern positiv beeinflussen, fehlt. Auf Grundlage lernpsychologischer Ergebnisse und einem „besseren“ Ler-nen durch die Verbindung von Wort und Bild, müssten zeichnerische Darstellungsformen eben-falls eine positive Auswirkung auf die potenzielle Begriffslernleistung bei Schülerinnen und Schülern haben, wie sie bei Begriffsnetzen ermittelt wurde.Definitionen, die unausweichlich zur Kenntnis eines (biologischen) Begriffs gehören, wurden nur in 68 von 174 Fällen genutzt, wobei Fälle einbezogen werden, bei denen Schülerinnen und Schüler eine Definition anhand gesicherter Erkenntnisse selbst formulieren könnten und müss-ten. Ausgehend von diesem Ergebnis besteht ein großer Nachholbedarf im Rahmen des aktuell praktizierten Biologieunterrichts an deutschen Schulen der Sekundarstufe 1.Eine Kombination von mehreren methodischen Verfahren bzw. Bestandteilen eines Prozesses, der das Lernen eines neuen biologischen Begriffs zur Folge hat, wird bei gerade einmal der Hälfte aller neu eingeführten Begriffe angewendet. Vor dem Hintergrund der weit verbreiteten Ansicht, dass Begriffe nur in Kombination mehrerer Verfahren bzw. Schritte gelernt werden können, ist auch dieser Wert kritisch und als zu gering zu betrachten.Als letzte Erkenntnis dieser Untersuchung wird festgehalten, dass die Möglichkeiten eines ver-besserten Begriffslernens durch die Gestaltung multimedialer Lernprozesse unter Einbindung moderner Technologien nahezu gar nicht genutzt werden. Digitale Medien verringern, bei rich-tiger Umsetzung, die Belastung auf Seite der Schülerinnen und Schüler und schaffen somit Freiraum für einen verbesserten Lernprozess, auch in Hinblick auf Begriffe. Diese Medien fan-den in der Stichprobe nahezu keine Verwendung.Auf der anderen Seite gibt es auch den Biologieunterricht, der den Erkenntnissen von Lernpsy-chologie und Biologiedidaktik folgt. In einer von 17 untersuchten Hospitationsstunden wurde lediglich ein neuer biologischer Begriff eingeführt. Dabei fanden sechs verschiedene methodi-sche Vorgehensweisen Anwendung, darunter keine Concept-Map.

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