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Examensarbeit Grimm

Grimm, A. 2012

Konzeption und Akzeptanz des Schülerlabors an der Fachhochschule Merseburg

Fazit

Auf der einen Seite stehen die Zitate von Eder (1992, 165):

„Interessen bilden in der Regel die Basis für dieWahl von Schulen, Studieneinrichtungen und Berufen und prägen damit die gesamte Laufbahn einer Person.“

und Krapp (1992b, 16):

„Interessen sind neben zahlreichen anderen Faktoren wichtige Bestimmungsvariablen des Lernens und der Leistung.“

Auf der anderen Seite die fast schon entmutigende Äußerung Travers’ (1978, 128 zitiert nach Krapp 1998a, 189):

„The school is more a killer of interest than a developer.“

Verbindet man diese Aussagen, so zeichnet sich ein recht negatives Bild, das in der Einleitung hinreichend betrachtet wurde. Interessen sind mehr als wichtig im schulischen Kontext, da sie ein Lernen mit Freude ermöglichen, das den Schülerinnen und Schülern nicht nur leichter fällt als uninteressiertes Auswendiglernen, sondern auch effektiver ist. Jedoch sinkt aus verschiedenen Gründen das Interesse der Schülerinnen und Schüler an schulischen Kontexten im Laufe ihrer Entwicklung immer mehr ab, was in Hinblick auf die Bedeutung, die das Interesse in Lernprozessen einnimmt, alarmierend ist. Im naturwissenschaftlichen Bereich wurden, um eben diesem Phänomen zu begegnen, vermehrt außerschulische Initiativen gegründet. Zu ihnen werden beispielsweise Schülerlabore gezählt, die drei Aspekte, welche den naturwissenschaftlichen Unterricht auszeichnen (sollten), in sich vereinen – und zwar Experimentieren, Kontextorientierung und Authentizität. Neben Zielstellungen wie dem Vermitteln eines zeitgemäßen Bildes der Naturwissenschaften und ihrer Bedeutung oder dem Kennenlernen von Tätigkeitsfeldern und Berufsbildern im naturwissenschaftlichen Bereich, sind sie entschlossen, das Interesse der Schülerinnen und Schüler an Naturwissenschaften und Technik zu erhöhen oder neue Interessen auf diesen Gebieten zu generieren.

„Chemie zum Anfassen“ an der Fachhochschule Merseburg ist ein solches Schülerlabor und, gemeinsam mit dem Wahlpflichtkurs „Ökologische Biochemie“ am Domgymnasium Merseburg, Mittelpunkt der vorliegenden Studie. Zunächst wurde untersucht (Hypothese 1), ob Schülerinnen und Schüler, die diesen Kurs besucht haben (Gruppen I und II), ein 92 höheres Interesse an Naturwissenschaften, Biologie und Experimentieren haben als die Schülerinnen und Schüler, die sich in der 9. Klasse für einen anderen Wahlpflichtkurs entschieden haben (Gruppe III). Daraufhin schätzten die Gruppe I und II ein, ob sich durch den Kurs ihr Interesse an Naturwissenschaften (unterteilt in Interesse, allgemeine affektive Tendenzen und Kompetenzzuwachs) erhöht hat (Hypothese 2), woran sich eine Untersuchung anschloss, ob dieser Interessenszuwachs in einem positiven Zusammenhang mit den Schülerlabormerkmalen und den basic needs steht (Hypothese 3). Alle drei Hypothesen konnten verifiziert werden:

H1 Schülerinnen und Schüler, die den Kurs „Ökologische Biochemie wählen, haben ein höheres individuelles Interesse an Naturwissenschaften, Biologie und am Experimentieren und ein positiveres Selbstkonzept in diesen Bereichen als die Schüler, die den Kurs nicht wählen.

Auch wenn das Interesse der Vergleichsgruppe (III) an Naturwissenschaften et cetera nicht niedrig war, wurde es dennoch von den Aussagen der Schülergruppe I/II übertroffen. Dies harmoniert mit den Angaben, die die Schülerinnen und Schüler zu ihren Beweggründen bei der Entscheidung für einen Wahlpflichtkurs machten, denn dabei nimmt das Interesse eindeutig den ersten Platz ein.

H2 Der Kurs „Ökologische Biochemie“ erhöht das individuelle Interesse der Schülerinnen und Schüler an Naturwissenschaften, Biologie und Experimenten.

Dem Kurs „Ökologische Biochemie“ konnte eine eingeschränkte positive Wirkung auf die Interessensgenese bescheinigt werden, wodurch Hypothese H2 verifiziert wurde, eingeschränkt deshalb, weil eine Interessenssteigerung lediglich bei 38% der Schülerinnen und Schüler festgestellt werden konnte. Doch muss man bedenken, dass einerseits ein Mensch sich nicht für alles interessieren kann und deshalb eine interessenssteigernde Maßnahme nie alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen erreichen kann, und dass andererseits das Interesse der Schülerinnen und Schüler, die den Kurs „Ökologische Biochemie“ belegt haben, bereits sehr hoch war. Letzteres, was von Hypothese H1 bescheinigt wird, lenkt den Blick darauf, dass ein hohes individuelles Interesse mit mehr Aufwand erhöht werden kann als ein niedriges und dass ein Schülerlaborbesuch, der sich im Interessenfeld der Schülerinnen und Schüler bewegt, ihr Interesse an Naturwissenschaften wahrscheinlich festigt, nicht aber so sehr erhöht. Davon abgesehen ist eine Erfolgsquote von fast 40% gewiss als ein gutes und zufriedenstellendes Resultat zu werten.

H3 Die Erhöhung des individuellen Interesses steht in einem positiven Zusammenhang mit den Merkmalen des Schülerlabors und der Erfüllung der basic needs.

Diese Hypothese konnte leider nur noch durch die Antworten von fünf Schülerinnen und Schülern untersucht werden, was sich statistisch quasi im irrelevanten Bereich bewegt. Obwohl Einzelbeurteilungen also stark in die Gesamtdarstellung hineinspielten, sind die Schülerinnen und Schüler sich in ihren Bewertungen und Wahrnehmungen so einig, dass die Ergebnisse einige Relevanz besitzen und die Verifizierung von Hypothese H3 postuliert werden kann. Besonders in der Bedienung der basic needs erzielen der Kurs „Ökologische Biochemie“ und das Schülerlabor „Chemie zu Anfassen“ gute Ergebnisse, weswegen – zumindest die fünf Schülerinnen und Schüler betreffend – eine Interessenssteigerung stattfindet. Im Bereich der Authentizität und Integration in den Unterricht befinden sich die Angaben der Schülerinnen und Schüler eher in einem ausgeglichenen Verhältnis, was einerseits bedeutet, dass diese Variablen nur bedingt als Begründung für den Interessenszuwachs geltend gemacht werden können. Andererseits weisen diese Ergebnisse auch darauf hin, dass die Effektivität des Kurses durch eine Optimierung dieser Aspekte erhöht werden könnte.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Kurs „Ökologische Biochemie“ des Schülerlabors an der Fachhochschule Merseburg und des Domgymnasiums Merseburg seinen Beitrag, dem Absinken des Interesses der Schülerinnen und Schüler an naturwissenschaftlichen Inhalten entgegenzutreten, leistet und so den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten bietet, neue Interessen zu entwickeln oder bestehende zu vertiefen. Auf der anderen Seite darf nicht verschwiegen werden, dass Raum für Verbesserungen durchaus gegeben ist. Um die Ergebnisse zu untermauern, sind weitere Untersuchungen mit größeren Stichproben als sie dieser Studie zur Verfügung standen unerlässlich. Auf diese Weise kann in einem statistisch relevanteren Rahmen beleuchtet werden, inwiefern sich die Schülerinnen und Schüler, die einen Interessenszuwachs durch den Kurs erfahren, von denen unterscheiden, deren Interesse nicht steigt.

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