Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Examensarbeit Barth

Barth, A.-L. 2015: MINT in der inklusionspädagogisch orientierten Schule. - Potential für das Lernen und die berufliche Integration von sozial benachteiligten SchülerInnen?

Zusammenfassung

Die zunehmende Heterogenität der Gesellschaft, sich ändernde Lebensläufe undAnforderungen an die heranwachsende Generation seitens der Wirtschaft sindaktuelle Themen und stellen das Bildungssystem unter verschiedenenGesichtspunkten vor große zu bewältigende Aufgaben (Kroworsch, 2014a; VÖI,2013; Winter, 2013a). Auf der Suche nach Veränderungs- undEntwicklungsmöglichkeiten tauchen Begriffe wie MINT und Inklusion in Diskussionenum die nachhaltige Gestaltung von Lernprozessen immer wieder auf (Quaiser-Pohl &Endepohls-Ulpe, 2010; Seitz, Finnern, Korff & Scheidt, 2012). MINT (Mathematik,Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und Inklusion sind Themen, die zwarin keiner unmittelbaren Verbindung zueinander stehen, trotzdem aber eineentscheidende Gemeinsamkeit haben: Sie können als Bildungsinnovationengesehen werden, die sich den gegenwärtigen Herausforderungen der Gesellschaftstellen wollen (KMK, 2011; VÖI, 2013; ZIRP, 2014).Der Fokus dieser Arbeit wird auf MINT und Inklusion im Bildungssystem gelegt.Inklusiver Unterricht ist bisher wenig empirisch untersucht (Thoma & Rehle, 2009),eine rechtliche Verankerung der Ausgestaltung eines inklusiven Bildungssystemswurde allerdings durch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)festgeschrieben (Kroworsch, 2014b). Die momentane Argumentation für dieUmstrukturierung des Schulsystems erfolgt auf den Nachteilen des separierendenBildungssystems, das Chancengleichheit nicht gewährt und die überholte Vorstellungdes gleichschrittigen Lernens praktiziert (Eberwein, 2003; Seitz et al., 2012).Zugleich zeigt sich eine Problematik im naturwissenschaftlichen Bereich bezüglichder Bildung von Kindern und Jugendlichen. Geringes Interesse und unzureichendeKompetenzen der SchülerInnen werden bemängelt und führen zu fehlendemNachwuchs (von Maltzahn, 2014).MINT und Inklusion erweisen sich somit allein aus bildungspolitischer Sicht alsinteressante Themen hinsichtlich der Unterrichtsentwicklung. Eine persönlicheRelevanz für das Thema ergibt sich zudem aufgrund verschiedener Erfahrungen derVerfasserin, die zeigten, dass dem naturwissenschaftlichen Unterricht in Bezug aufdie sonderpädagogische Förderung im schulischen Kontext immer wieder eineuntergeordnete Rolle zugeschrieben und der Fokus auf die Vermittlung derKulturtechniken gelegt wird. Sieht man naturwissenschaftliche Bildung als einen Teil der Allgemeinbildung und als essentiell für den Verstehensprozess komplexerZusammenhänge in unserem Alltag (KMK, 2009), stellt sich die Frage, ob hier einVorenthalten von Bildung im ohnehin schon separierenden und chancenungleichenBildungssystem zum Ausdruck kommt und was dies im Hinblick auf die beruflicheZukunft betroffener Kinder und Jugendlichen bedeutet.Im Fachbereich der Biologiedidaktik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenbergwird MINT eine große Bedeutung zugeschrieben und auf eine sich veränderndeUnterrichtsgestaltung hingewiesen. Zum Ausdruck kommt, dass eine Entwicklungvom frontalen Unterricht hin zu moderneren Lehr- und Lernformen, die aufindividuelle Lernausgangslagen der SchülerInnen besser eingehen können, mehr alserwünscht ist (MLU, 2014).Hier ergeben sich Verbindungen zwischen verschiedenen Didaktiken, die einerseitssonderpädagogisch, andererseits fachpädagogisch ausgerichtet sind und es stelltsich die Frage, ob Parallelen zwischen MINT und inklusionspädagogisch orientiertemUnterricht vorliegen. Die Idee dieser Arbeit besteht in der Annahme, dass dieMerkmale inklusiver Didaktik und des typischen MINT-Unterrichts Ähnlichkeitenaufweisen und die Gestaltung naturwissenschaftlichen Unterrichts im Sinne vonMINT somit Potentiale für das Lernen und die berufliche Integration vor allem sozialbenachteiligter SchülerInnen bietet.Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen dieser Arbeit überprüft, wie inklusiv dernaturwissenschaftliche Unterricht an deutschen Schulen gestaltet wird. Anhand einerqualitativen Einzelfallanalyse wird dazu die Unterrichtsgestaltung im BereichNaturwissenschaften und das Inklusionsverständnis genauer in den Blickgenommen. Als Untersuchungsgegenstand dient eine integrierte Gesamtschule, diesowohl inklusive Aspekte in ihrem Schulprofil aufführt, als auch Naturwissenschaften(Nawi) fächerübergreifend anbietet. Durch die Befragung von Fach- undFörderschullehrerinnen, die im Gemeinsamen Unterricht (GU) dieser Schule tätigsind, einer Unterrichtsbeobachtung und der Betrachtung des Nawi-Konzepts, sollenErkenntnisse über die gegenwärtige Unterrichtspraxis erlangt und Möglichkeiten füreinen inklusionspädagogisch orientierten naturwissenschaftlichen Unterrichtaufgezeigt werden. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die Individualisierung unddie Differenzierungsmaßnahmen gelegt, die im Hinblick auf die Beschulung sozialbenachteiligter Kinder und Jugendlichen eine wichtige Rolle spielen (Quaiser-Pohl & Endepohls-Ulpe, 2010). Außerdem stellt sich die Frage, welcheHeterogenitätsdimensionen in der Schule bereits Beachtung finden.MINT und Inklusion stellen Begriffe dar, die keiner eindeutigen Definition unterliegenund sehr weitreichend ausgelegt sind. Da die Vorstellung von MINT undinklusionspädagogisch orientiertem Unterricht für diese Untersuchung von großerRelevanz sind, findet im Folgenden eine ausführliche Auseinandersetzung mit denBegriffen und den dahinterstehenden Vorstellungen von Unterricht statt (Kapitel 2und 3). An den theoretischen Vergleich der typischen Unterrichtsmerkmale von MINTund Inklusion (Kapitel 4) schließt sich die methodische Vorgehensweise derEinzelfallanalyse an (Kapitel 5). Nach der Darstellung der Ergebnisse (Kapitel 6)erfolgen der Vergleich und die interpretative Auseinandersetzung mit den Interviews(Kapitel 7). Abschließend werden die erworbenen Erkenntnisse in einem Fazit(Kapitel 8) zusammengefasst und ein Ausblick für die weitere Forschung gegeben.

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